Vor sechs Jahren gewann Kathryn Joseph für ihre Debüt- LP den Preis fürs beste schottische Album des Jahres. Das war erstaunlich. Erstens hatte die singende Songschreiberin und Pianistin zu diesem Zeitpunkt nur selten Konzerte gegeben, und dies bloss in ihrer Heimatstadt Aberdeen. Zweitens war sie bereits vierzig Jahre alt und hatte sich bis dahin vorab als Kellnerin durchs Leben geschlagen. Mit der Anerkennung kam der Mut, ihren noch nie überdekorierten Sound noch mehr einzudampfen. Natürlich bleibt die unverwechselbare Stimme im Vordergrund, eine alterslose Mischung aus Kate Bush, bulgarischem Frauenchor und tremologetränkter Victoria Williams. Die Instrumentalbegleitung besteht aus scheinbar simplen E-Klavier-Melodien, unterlegt mit kaum hörbarem Synthirauschen und anderen Minimaldetails. Die Intimität der Stimmung und damit die Wirkung von Texten, die sich in elliptischen, assoziativen Bögen um Geschichten menschlicher Verletzbarkeit drehen, ist atemberaubend. Absolut jeder Klang zählt – nicht zuletzt das Zittern in der Stimme, wenn die Worte in schwerelose Stille übergehen. Soul-Musik im wahrsten Sinn des Wortes. hpk.
Label: Rock Action